Er war dabei, ein dickes orangenes Band aus dem Kofferaum zu holen, als der dicke, alte Polizist uns viel Glück wünschte, in sein Fahrzeug einstieg und mit einer Staubwolke hinter sich, davon rauschte. Morgen war ein Pferderennen geplant in der Nähe. Das war der Grund, wieso so viele Leute mit Pferden in der Gegend unterwegs waren. Steve half dem jungen Polizisten beim Anschließen des Kabels an unser Auto und ich bereitete den Motorraum für die Fahrt vor. Amandine meinte, dass sie uns folgen werden und gab mir noch einen Kuss auf die Wange. Der Polizist war fertig, gab mir letzte Anweisungen und bat mich, sein Auto nicht zu zerstören. Ich schaltete das Licht und den Warnblinker ein, Steve kam in die Fahrerkabine und dann ging es los. Der Jeep setzte sich langsam ein Bewegung, dann gab es einen kleinen Ruck und wir folgten ihm, am Band hängend. Ich hatte vergessen zu sagen, dass ich nicht bremsen konnte…
Das Pedal blockierte weiterhin. Ich hatte also keine andere Wahl, als die Handbremse zu benutzen, wenn es drauf ankommen würde. Wir wurden schneller und erschreckend stellten wir beide fest, dass wir bereits siebzig fuhren, weiter steigend. Alter der war viel zu schnell!! Ich versuchte, mitzulenken und hatte meine linke Hand stets an der Handbremse. Steine schleuderten hinter dem Jeep durch die Luft und schmetterten gegen unsere Front. Ein lauter Knall und ein weiterer Sprung war in der Scheibe. “Was soll das denn?!” Plötzlich ruckte das Auto durch eine Bodenwelle und dann kam eine Flutwelle aus Steinen unter dem Jeep hervor und prasselte gegen uns. Es knallte überall und wir sahen zu, wie ein Loch nach dem anderen unsere Scheibe zerstörte. Wie ein Hagelsturm, nur aus Steinen. Dann knallte es richtig laut und ein fettes Loch prangte vor unseren Köpfen im Glas. Meine Hand an der Handbremse zitterte und mir war echt zum Heulen zu mute in diesem Moment. Wir konnten nichts machen und mussten mit ansehen, wie unsere ganze Scheibe und wahrscheinlich die Scheinwerfer gerade zerstört wurden. Dann hörte der Hagel auf und es ging weiter. Wir fuhren neunzig Stundenkilometer und waren sogar so schnell, dass die Mädels mit ihrem Van nicht hinterher kamen. Das war viel zu schnell!! Dieser Scheiß Bulle! Bestimmt zehn dicke Steinschläge waren mittlerweile auf unserer Scheibe verteilt. Ich lenkte etwas. Draußen wurde es mit jeder Minute dunkler und wir hofften einfach, dass jetzt kein Kangaroo auf die Straße springen würde. Dann gab der Polizist Handzeichen, dass er anhalten würde. Ich zog stück für Stück die Handbremse, bis wir zum Stillstand kamen. Er stieg aus und fragte mich, ob alles okay sei. […]
Ich meinte aufgebracht zu ihm, dass er viel zu schnell fuhre und er unsere ganze Scheibe zerstört hätte. Was er brabbelte habe ich nicht verstanden, nur so viel, dass er nun langsamer fahren würde. Doch das war jetzt auch schon zu spät… Die Geisterbahnfahrt ging weiter. Unsere Batterie wurde schwächer und die Amaturenbrettbeleuchtung wurde zunehmend dunkler und fing an zu flackern. Gefühlt ging die Fahrt Stunden. Ich hoffte jede Minute, dass es endlich enden würde und malte mir aus, was wir jetzt mit unserem Auto machen sollten und wie die Reise weitergehen sollte – das war der wohl bis jetzt schlimmste Moment in Australien.
Eine erneute Hagelwelle prasselte von unten nach oben kommend auf uns ein. Die Steine schlugen lautstark gegen unseren Boden, gegen unsere Scheibe und letztendlich auf unser Dach. Ein Steinschlag nach dem anderen war zu sehen. -Die Scheibe können wir wegwerfen…-, sagte Steve und schluckte. Plötzlich kam eine dicke Welle Schmutzwasser mit Steinen auf uns und klatschte gegen die Scheibe. Alles war voller Dreck, ich betätigte den Scheibenwischer, doch alles verschmierte nur. Auch das noch. Plötzlich bremste der Jeep und ich riss die Handbremse hoch und rollte auf das Abschleppband, dann wackelte das Auto und es gab einen lauten Knall. “Ist jetzt ´nen Reifen geplatz?!” Die Bremslichter vom Jeep leuchteten rot in unsere Gesichter und wir hielten an, um nachzusehen, was passiert war. Die Reifen waren okay, doch das Abschleppseil hatte es schwer erwischt. An zwei Stellen war es ausgefranzt und fast gerissen, weil es sich am Reifen verhäddert hatte. Wir stiegen zurück ins Auto und ich riskierte einen kurzen Blick auf unsere Front. Die Glasscheibe des linken Scheinwerfers war vollkommen versplittert und im Arsch. Die rechte hatte ebenfalls einige Risse abbekommen.
Das Ortsschild von Marree erschien in der Dunkelheit und wir erreichten den kleinen Platz, an dem Steven und ich vor wenigen Stunden noch Volleyball in der Sonne gespielt hatten. So schnell ändert sich alles. “Na dann haben wir ja noch die Möglichkeit, den Ball zu suchen.”, meinte Steve trocken und stieg aus, um das Seil vom unserem Auto zu lösen. Am Ende der Straße leuchteten ein paar bunte Lichter und eine Mülltonne brannte. Dazu schallte aus dem Haus lautstarker Technobass über die ansonsten leere Straße. Wo waren wir nur gelandet…? Ich stieg missmutig ebenfalls aus. Der Polizist meinte, dass am Ende der Straße ein Caravanpark und hier in der Nähe die Werkstatt sei, er würde das für uns klären und dann wiederkommen. Warten war also angesagt. Der Jeep verschwand hinter der nächsten Ecke und der Van der Mädels parkte hinter unserem. Amelie und Amandine kamen nach vorne und wir zeigten ihnen unsere zerstörte Fron. “Ach du scheiße…”, stellte Amandine erschrocken fest und nahm die Hand vor den Mund. Wir erklärten den beiden, worauf wir gerade warteten. Steven und ich wussten gerade nicht, was wir nun tun sollten. Amandine nahm mich in den Arm und meinte, dass alles wieder gut werden würde. Heute Abend würden wir erstmal was gutes Trinken und sie und Amalie würden was leckeres Kochen. Sie schaffte es, mich wieder etwas aufzumuntern und dann kam auch schon der Polizei-Jeep um die Ecke, gefolgt von einem Zweiten, der sich vor uns platzierte, um uns wohl wieder zu ziehen. Der junge Polizist kam aus dem ersten Wagen zu uns und erklärte, dass wir normalerweise hier auf dem öffentlichen Parkplatz stehen könnten. Doch dieses Wochenende war das Pferderennen in der Nähe und alle möglichen Leute wären die nächsten zwei Tage in diesem Ort. Aus diesem Grund konnten sie uns das nicht erlauben und wollten uns zu dem Caravanpark, am Ende der Straße ziehen. Der sei nicht so teuer, meinte der Zweite und half dem ersten, das Seil wieder an beiden Autos zu befestigen. Ich machte das sterbende Licht an (unsere Batterie war fast komplett leer mittlerweile) und dann ging es auch schon los.
Wir waren das absolute Highlight an diesem Abend. Natürlich fuhren wir genau an dem Gebäude mit der brennenden Mülltonne und der Discobeschallung vorbei. Alle Blicke gehörten uns, als wir mit dem orangenen Seil hinter dem Polizei-Jeep hinterher düsten. Dann ging es nach links auf einen Platz. Ein großes Schild mit irgendwas mit Autoreparatur und Teile wurde kurz von unserem Licht angeleuchtet, als wir davor links abbogen und durch den Eingang des Caravanparks fuhren. Es war doch tatasächlich der Platz auf dem nichts los war, über den Steven und ich uns noch lustig gemacht hatten… Hier war immernoch nichts los und wir schienen die einzigen Besucher zu sein. Ein kleines Feuer brannte vor uns auf dem Boden und eine Frau saß davor auf einem Campingstuhl. Wir stiegen aus und die ältere Frau kam auf uns zu. Sie begrüßte die Polizisten und uns. Sie bekam die momentane Situation erklärt und wies uns dann einen Platz am Rand zu. Die Nacht würde 20 Dollar pro Person kosten, aber wir würden alles weitere am nächsten Tag klären. Sie zeigte uns die Küche und bot uns an, später einfach mit ans Feuer zu kommen und einen schönen Abend zu haben. Wir wurden an den Rand des Platzes gezogen und halfen Jason, so hieß der junge Polizist, das Seil wieder zu lösen. Dann sprachen wir die zerstörte Windschutzscheibe und die zerbrochenen Scheinwerferabdeckungen an. Was man da machen könne, da sie ja durch das zu schnelle Abschleppen kaputt gegangen waren. Vielleicht hätte die Polizei ja eine Art Versicherung. Jason lachte.
Die Polizei hat keine Versicherung oder sowas. Wir hätten ihm eher bescheid geben müssen, wenn er zu schnell gewesen war… Mehr konnte er uns nicht sagen und auch nicht mehr für uns tun. Er wünschte uns viel Glück, fragte ob er sonst noch was tun könnte und stieg dann zurück in sein Dienstfahrzeug, bevor er vom Platz fuhr.
Amandine hielt mit ihrem Van neben unserem. Da waren wir nun also. Sie fragte mich, was ich heute Abend trinken wollte und worauf wir Appetit hätten. – Eine Stunde später saßen wir in der Küche und aßen Pasta mit einer Spinattomatensauce. Dazu gab es reichlich Alkohol und Cola – genau das Richtige nach diesem Tag. Später saßen wir noch eine Weile am Feuer, bevor wir dem Tag ein Ende gaben und in unseren Vans verschwanden.
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!