Irgendwo auf einer weit, weit entfernten Kirschfarm, am Ende der Welt, suchte sich ein einsames Huhn seinen Weg durch die kühle Nacht und pickte gemütlich in der verwüsteten Backpackerküche Nudelsalat- und Brotreste vom Boden. Die dünne Mondsichel schien hell vom klaren Himmel herab und spiegelte sich in den glänzenden Campervans und Zelten, im daneben liegenden Zeltbereich. Nur ein leichtes Schaben unterbrach hin und wieder das leise Rauschen der fernen Blätter im lauhen Wind. Ein weit herunter hängender Ast rieb an einer großen Lagerbox, auf dem Dach eines weißen Vans, in dem zwei deutsche Backpacker seelenruhig ihren Schlaf genossen – nämlich ich und Steven. Doch so friedlich war es gar nicht, denn als ich langsam meine Augen öffnete, sah ich in unserem Auto überall Kirschzweige mit dicken, dunklen Kirschen wuchern. Ich schob den kleinen Stofffetzen neben meinem Kopf vom Fenster weg und erkannte, dass wir woanders waren, als beim Einschlafen. Ich richtete mich langsam auf und mir wurde klar, dass ich unbedingt die Kirschhen pflücken sollte. Ich fing also an, mitten in der Nacht in unserem Auto Kirschen von der Decke zu pflücken. Auch Steven wachte auf, bemerkte meine Arbeit und machte mir klar, dass es der falsche Zeitpunkt wäre und das ich weiterschlafen solle. Ich legte also die Kirschen zur Seite, legte mich wieder hin und schlief wieder ein. – Was davon alles Traum war und was nicht, werden wir wohl nie erfahren (;
Soweit war es also schon gekommen. Man träumte jetzt schon von den dicken roten Dingern, die hier überall wuchsen und mit denen man pro Tag rund acht Stunden seine Zeit verbrachte. Jeder hatte einen Pflückbehälter bekommen, der einem an den Schultern hing, und wand seine bestmögliche Technik an, um diesen so schnell wie möglich zu füllen und in die großen Boxen, die sogenannten Lags, zu entleeren. Man wurde pro Lag bezahlt – also war Geschwindigkeit alles. Naja und die Äste sollten dran bleiben. Und die Blätter auch. Achja und unten sollten danach auch nicht flächendeckend Kirschen zu finden sein. Es gab eine Menge, worauf man in den ersten Tagen hingewiesen wurde und man freute sich über seine sechs lags pro Person am ersten Tag. Zumindest solange, bis man erfuhr, dass andere hier am Tag zwischen 14 und 25 machten. Der Rekord lag sogar bei 43 Lags (1 Lag = 14 Kilo) an einem Tag. Alter Schwede… Wir hatten also viel Steigerungspotenzial vor uns.
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